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Interkulturelle Philosophie zur Begegnung derKulturenIn einer Zeit, in der die Welt zusammenrückt und Texte weitentfernter Völker in Minutenschnelle per Mausklick zu habensind, ist es nicht mehr möglich, die Philosophie mitThales von Milet beginnen zu lassen, über Platon, die Scholastik,Kant und Descartes zu führen und mit Popper undSartre zu enden.1 Große Teile der Welt sind von europäischerPhilosophie unberührt geblieben und haben dafür ihreeigenen Traditionen der Weltdeutung. Auch beginnt dieDominanz Europas und Amerikas einer vielschichtigenWelt zu weichen, in der Indien und China wohl bald einegleichberechtigte Rolle beanspruchen werden. Die Chance,zu einer Welt gleichberechtigter Kulturen zu gelangen, erfordertauch die Beschäftigung mit ihrem Denken. Hierkann eine unvoreingenommene Philosophie, die weiß, daßihre Instrumente kulturbedingt sind, ein neues Verständnisder Kulturen der Welt ermöglichen und nebenbei auch ihreWerkzeuge erweitern.Eine interkulturelle Philosophie kann vor allem einen echtenDialog der Kulturen ermöglichen, der nicht eingleisig istund nicht eine Ansammlung von Zwiegesprächen, sondernein 'Polylog'2, in dem sich viele verschiedene Stimmenmiteinander austauschen. Dies ist keine völlig neue Aufgabe.Schon Platon verwies des Öfteren auf die kulturellenLeistungen der Ägypter. Besonders im kolonialen Indiengab es Versuche, die Denkweise der Inder zu verstehen unddie Sechs Systeme ihrer Philosophie darzustellen; ähnlichesgilt für China im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auch umgekehrtversuchten Inder, das Denken der Europäer zu verstehenund nachzuweisen, daß Indien keineswegs in geistigerStagnation verharrte, wie die Kolonialherren gern behaupteten,sondern Europa viel zu bieten hätte. Die Vorlesungenvon Swami Vivekananda sind ein gutes Beispieldafür. Auf muslimischer Seite waren die 1920er und 30erJahre von einem Philosophen geprägt, der sowohl den Islamals auch die Philosophie Europas gründlich studiert hatteund beides zu einer eigenen Philosophie destillierte, dienicht zu Unrecht als sowohl modern als auch islamisch geltenkann. Dies ist Muhammad Iqbal, der auch als Dichterauf Persisch und Urdu hervortrat und der zehn Jahre nachseinem Tod - wohl wider Willen - zum Vordenker Pakistanserhoben worden ist. Ohne eine gründliche Beschäftigungmit islamischer, europäischer und auch indischer Philosophie,und ohne den Versuch, nicht sofort alles in deneigenen Kategorien zu sehen, wären Iqbals vitalistischePhilosophie und seine Vorschläge einer Reform des Islamnicht möglich geworden. Gleichermaßen von Fichte undNietzsche wie von den islamischen Mystikern Ibn 'Arabiund Jalaluddin Rumi beeinflußt und belesen in persischerund englischer Poesie, dazu ein Kenner von Goethe, profitierteIqbal von all diesen Ideen, die er verstand und zueiner kreativen Synthese zusammenbrachte.
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